#52 | The Cambridge Public House, Paris, France
Last Visit: Fall 2024
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment der Verwirrung letztes Jahr, als ich nicht nur las, dass einer der größten Legenden der europäischen Bar-Szene – Little Red Door – interne Struggles hatte und seine zwei kreativen Barköpfe verlor. Sondern auch daraufhin sogar übernommen wurde und das wiederum von einer Bar, von der ich erst ein paar Wochen zuvor zum ersten Mal gehört hatte. Und zwar als letztere 1–2 Monate davor aus dem gefühlten Nichts plötzlich in den World's 50 auftauchte. Wie konnte das passieren? Eine Bar, die mir gänzlich unbekannt war, übernimmt einen der Giganten?
Wie man nun sicher erraten kann, war der Zweite im Bunde The Cambridge Public House und schöner Weise haben sie sich entschieden das Little Red Door an alter Stelle unabhängig zu erhalten. Während wir über ihre Übernahme vielleicht weiter in dem dazu passenden LDR-Artikel sprechen werden, schauen wir uns heute an, was sie selbst denn eigentlich anzubieten haben in der immer weiter wachsenden Pariser Bar Community.
Copyright: Cambridge Public House
Das ist zunächst mal ein überdeutlicher „Unique Selling Point“, und zwar das Selbstverständnis des CPH als „Cocktail Pub“, denn Mitgründer Hugo Gallou lebte mehrere Jahre in London und wollte eine von britischen Pubs inspirierte Bar in Paris eröffnen, mit allem Drum und Dran.
Dies zeigt sich sowohl direkt äußerlich, als auch im Menü. Die oldschool blaue Fassade mit dem großen „The Cambridge“ daran prangend, während man durch die großen Fenster bereits direkt die warmen, hölzernen Elemente des Interieurs wahrnehmen kann. Wir waren an einem Sonntag dort und trotzdem war es brechend voll, dennoch haben wir schönerweise nach 10–15 Minuten einen Platz bekommen. Gleichzeitig merkte man direkt, dass im Vergleich zu ein paar anderen Bars hier gefühlt >90 % Touristen und/oder Expats verkehren, auch wenn dies möglicherweise an der Wahl des Tages liegt.
Dadurch geht ein wenig das authentische Flair verloren und man fühlt sich, zusammen mit dem Kontrast aus sehr markant als eben etwas modernisierten, britischen Pub eingerichteten Innenräumen und der französischen Hauptstadt dort draußen, wie in einem fancy Theme Park. Gleichzeitig kann da das Cambridge natürlich wenig für und dies als ebenso (beruflicher) Tourist zu sagen, ist auch irgendwo schizophren. Am Ende bleibt auf jeden Fall, dass man sich sehr eingekuschelt und gut aufgehoben fühlt, man hat nicht dieses kalte Gefühl, das manch sehr moderne oder auch futuristische Bareinrichtung einem manchmal gibt.
Copyright: Cambridge Public House
Auf dem insgesamt recht umfangreichen Menü zeigt sich der USP insbesondere dadurch, dass die Bar ein wahrer Alleskönner ist. Craftbeer, ein paar nette Weine, spannende homemade Sodas, Appetizer, eine überraschend umfangreiche Cocktailauswahl für so ein „Kombo“-Konzept und natürlich wichtig für ein Pub: britische Staples wie Meat Pie und Sausage Roll. Letztere hatten wir übrigens beide und besser kann man sie in dieser klassischeren Zubereitung definitiv nicht finden, speziell natürlich außerhalb des United Kingdom.
Der Service war stets angenehm und freundlich, gleichzeitig auch offensichtlich durch die Menge an Gästen selbst an einem Sonntag recht in Stress. Trotzdem wurde immer knapp und gekonnt Auskunft bei Fragen gegeben. Man sollte sich natürlich darauf einstellen, dass hier keine geschlossene oder familiäre Atmosphäre wie in klassischeren, kleinen Bars entstehen wird, insbesondere seit sich der Platz auf der World's 50 Liste rumgesprochen hat.
Die Cocktails sind unterteilt in Signature Drinks, Non-Alcoholic, und „Tiny Bevs“, meinend quasi kleine mehr Aperitif-Style Drinks. Außerdem gibt es aufgrund der hohen Saisonalität und Rotation der Drinks einen Hinweis, welche 1–2 demnächst nicht mehr verfügbar sind, cooles Feature.
Cool Cat
| Sesame
| Flor de Cana 12yo
| Dolin Rouge
| Oloroso Sherry
| Noix St. Jean
Der Cool Cat stammt von jener „Tiny Bevs“-Seite und liest sich natürlich wie ein Drink exakt nach meinem Geschmack und dies war er auch. Insgesamt ja recht klassisch konstruiert, nur mit der feinen Sesamnote anbei, war er mein Lieblingsdrink im CPH. Ein Fatwash des eh schon recht trockenen Rums mit Sesamöl passt natürlich gut zu dem auch mit Walnüssen hergestellten Weinaperitif (Noix St. Jean, große Empfehlung, wer ihn nicht kennt). Smooth und doch aromengeladen, dabei wenig überraschend schön auf der nussig-trockenen Seite, etwas Gräser und Hölzer vom Flor de Cana und Oloroso, sowie einige weinige Noten.
/rds
Luxury Motivation
| Yellow Bell Pepper
| Nori
| Ocho Tequila
| Empirical Ayuuk
Man darf jetzt hier keinen ultimativen Margarita erwarten, der einem alle Noten der Agave intensiv darbietet. Aber ein easy, leicht salziger und gemüsiger Drink zum Essen, der immerhin Empirical Spirits benutzt und ein bisschen mit den "Pub-Klischees" bricht.
/jf
Darüber hinaus hatten wir noch 1–2 weitere Drinks und ähnlich wie die oben genannten zeichneten sie sich durch hohe Qualität, aber auch eine gewisse Smoothness ab, wie oft in Barkonzepten mit gleichwertigem Food-Angebot. Dazu noch die durchaus spannend klingenden Homemade Sodas. Die kann man auf Wunsch auch als „verstärkte“ Version mit Alkohol haben. John hatte Nelken & Grapefruit Kombucha mit Süßkartoffel Shochu und ich die Feige/Ojicha/Süßholz Soda. Letztere war ein richtiger Höhepunkt nicht nur im Cambridge, sondern generell, was meine bisherigen Non-Alcoholic Drinks betrifft. So fehlt natürlich ein wenig die Power von Alkohol, die Aromen haben sich aber wundervoll ausgebreitet und kamen alle einzeln durch. Trockene Feige, Tee-Noten und feine Anisanklänge machten den zu einem echten aromatischen Highlight. Der Kombucha-Longdrink war zwar auch cool, aber eher auf der süßen Seite, was sicher auch an dem (auf dem Menü) nicht genannten Tonka im Drink lag.
Wir versuchen mal das The Cambridge Public House abseits seiner World's 50 Platzierung zu bewerten, es ist immer müßig alles in diesem Vergleichskontext zu sehen. So gab es zwar keinen richtigen "Wow"-Moment, aber unser Besuch war vollauf zufriedenstellend, gutes Essen, genauso gute, wenn auch recht abgerundete Drinks, sowie ein tolles Angebot darüber hinaus (homemade Sodas, Craft-Beer, etc.). Auch ist die Bar ein sehr aktiver, positiver Player in der Community, was sie zur ersten Bar international mit „B Corp Certification“ gemacht. Ein weltweit anerkanntes Zertifikat, dass die Einflüsse eines Unternehmens im sozialen und Umweltbereich, sowie Transparenz nach außen und innen zum Personal bewertet.
Mit dem „Cocktail Pub“ hat Paris somit definitiv eine weitere Bereicherung seiner Barszene erfahren, nicht nur aufgrund der Verdienste, sowohl bei der „Rettung“ eines unabhängigen Little Red Door, als auch bei seinem Einfluss in der Branche abseits davon. Auch die einzigartige Verknüpfung von gehobener Trinkkultur mit gut gemachtem, britischen Essen in einer coolen Location machen eine Empfehlung für einen Parisbesuch leicht.
/rds
Auszüge aus dem Menü (anklicken für Originalgröße):